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Thüringer Jugendarrestvollzugsgesetz (ThürJAVollzG) vom 19. März 2019

zum 08.01.2021 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Thüringer Jugendarrestvollzugsgesetz (ThürJAVollzG) vom 19. März 201901.04.2019
Inhaltsverzeichnis01.04.2019
Eingangsformel01.04.2019
Erster Abschnitt - Anwendungsbereich01.04.2019
§ 1 - Anwendungsbereich01.04.2019
Zweiter Abschnitt - Vollzug des Dauerarrests01.04.2019
Erster Unterabschnitt - Allgemeine Bestimmungen01.04.2019
§ 2 - Ziel des Vollzugs01.04.2019
§ 3 - Stellung der Arrestierten, Mitwirkung01.04.2019
§ 4 - Grundsätze der Vollzugsgestaltung01.04.2019
§ 5 - Maßnahmen erzieherischer Gestaltung01.04.2019
§ 6 - Zusammenarbeit, Einbeziehung Dritter01.04.2019
Zweiter Unterabschnitt - Aufnahme, Planung01.04.2019
§ 7 - Aufnahmeverfahren01.04.2019
§ 8 - Ermittlung des Hilfebedarfs, Erziehungs- und Förderplan01.04.2019
Dritter Unterabschnitt - Unterbringung und Versorgung01.04.2019
§ 9 - Unterbringung während der Einschlusszeiten, Trennungsgebot01.04.2019
§ 10 - Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten01.04.2019
§ 11 - Gewahrsam an Gegenständen01.04.2019
§ 12 - Kleidung01.04.2019
§ 13 - Verpflegung01.04.2019
Vierter Unterabschnitt - Bildung, Beschäftigung, Freizeit01.04.2019
§ 14 - Bildung und Beschäftigung01.04.2019
§ 15 - Freizeit01.04.2019
Fünfter Unterabschnitt - Gesundheitsfürsorge01.04.2019
§ 16 - Gesundheitsschutz und Hygiene01.04.2019
Sechster Unterabschnitt - Außenkontakte01.04.2019
§ 17 - Schriftwechsel, Pakete01.04.2019
§ 18 - Besuche, Telefongespräche01.04.2019
§ 19 - Aufenthalte außerhalb der Anstalt01.04.2019
Siebter Unterabschnitt - Religionsausübung01.04.2019
§ 20 - Seelsorge, religiöse Veranstaltungen, Weltanschauungsgemeinschaften01.04.2019
Achter Unterabschnitt - Sicherheit und Ordnung01.04.2019
§ 21 - Grundsatz01.04.2019
§ 22 - Allgemeine Verhaltenspflichten01.04.2019
§ 23 - Reaktionen auf Pflichtverstöße01.04.2019
§ 24 - Durchsuchung, Absuchung01.04.2019
§ 25 - Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch01.04.2019
§ 26 - Besondere Sicherungsmaßnahmen01.04.2019
Neunter Unterabschnitt - Unmittelbarer Zwang01.04.2019
§ 27 - Begriffsbestimmungen, allgemeine Voraussetzungen01.04.2019
§ 28 - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Androhung01.04.2019
Zehnter Unterabschnitt - Entlassung, Nachsorge01.04.2019
§ 29 - Einleitung nachsorgender Maßnahmen, Entlassungsbeihilfe01.04.2019
§ 30 - Schlussbericht, Entlassungsgespräch01.04.2019
Elfter Unterabschnitt - Beschwerde01.04.2019
§ 31 - Beschwerderecht01.04.2019
Zwölfter Unterabschnitt - Aufbau und Organisation der Anstalt01.04.2019
§ 32 - Einrichtung und Ausstattung der Anstalt01.04.2019
§ 33 - Anstaltsleitung01.04.2019
§ 34 - Personelle Ausstattung, ärztliche Versorgung, Seelsorge01.04.2019
§ 35 - Hausordnung01.04.2019
Dreizehnter Unterabschnitt - Aufsicht, Beirat01.04.2019
§ 36 - Aufsichtsbehörde, Vollstreckungsplan, Vollzugsgemeinschaften01.04.2019
§ 37 - Beirat01.04.2019
Vierzehnter Unterabschnitt - Freizeit- und Kurzarrest, Nichtbefolgungsarrest, Jugendarrest neben Jugendstrafe01.04.2019
§ 38 - Grundsatz01.04.2019
§ 39 - Freizeit- und Kurzarrest01.04.2019
§ 40 - Nichtbefolgungsarrest01.04.2019
§ 41 - Jugendarrest neben Jugendstrafe01.04.2019
Dritter Abschnitt - Kriminologische Forschung, Datenschutz01.04.2019
§ 42 - Kriminologische Forschung01.04.2019
§ 43 - Datenschutz01.04.2019
Vierter Abschnitt - Schlussvorschriften01.04.2019
§ 44 - Ersetzung und Fortgeltung von Bundesrecht01.04.2019
§ 45 - Einschränkung von Grundrechten01.04.2019
§ 46 - Evaluierung01.04.2019
§ 47 - Gleichstellungsbestimmung01.04.2019
§ 48 - Inkrafttreten01.04.2019

Inhaltsübersicht
Erster Abschnitt
Anwendungsbereich
§ 1Anwendungsbereich
Zweiter Abschnitt
Vollzug des Dauerarrests
Erster Unterabschnitt
Allgemeine Bestimmungen
§ 2Ziel des Vollzugs
§ 3Stellung der Arrestierten, Mitwirkung
§ 4Grundsätze der Vollzugsgestaltung
§ 5Maßnahmen erzieherischer Gestaltung
§ 6Zusammenarbeit, Einbeziehung Dritter
Zweiter Unterabschnitt
Aufnahme, Planung
§ 7Aufnahmeverfahren
§ 8Ermittlung des Hilfebedarfs, Erziehungs- und Förderplan
Dritter Unterabschnitt
Unterbringung und Versorgung
§ 9Unterbringung während der Einschlusszeiten, Trennungsgebot
§ 10Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten
§ 11Gewahrsam an Gegenständen
§ 12Kleidung
§ 13Verpflegung
Vierter Unterabschnitt
Bildung, Beschäftigung, Freizeit
§ 14Bildung und Beschäftigung
§ 15Freizeit
Fünfter Unterabschnitt
Gesundheitsfürsorge
§ 16Gesundheitsschutz und Hygiene
Sechster Unterabschnitt
Außenkontakte
§ 17Schriftwechsel, Pakete
§ 18Besuche, Telefongespräche
§ 19Aufenthalte außerhalb der Anstalt
Siebter Unterabschnitt
Religionsausübung
§ 20Seelsorge, religiöse Veranstaltungen, Weltanschauungsgemeinschaften
Achter Unterabschnitt
Sicherheit und Ordnung
§ 21Grundsatz
§ 22Allgemeine Verhaltenspflichten
§ 23Reaktionen auf Pflichtverstöße
§ 24Durchsuchung, Absuchung
§ 25Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch
§ 26Besondere Sicherungsmaßnahmen
Neunter Unterabschnitt
Unmittelbarer Zwang
§ 27Begriffsbestimmungen, allgemeine Voraussetzungen
§ 28Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Androhung
Zehnter Unterabschnitt
Entlassung, Nachsorge
§ 29Einleitung nachsorgender Maßnahmen, Entlassungsbeihilfe
§ 30Schlussbericht, Entlassungsgespräch
Elfter Unterabschnitt
Beschwerde
§ 31Beschwerderecht
Zwölfter Unterabschnitt
Aufbau und Organisation der Anstalt
§ 32Einrichtung und Ausstattung der Anstalt
§ 33Anstaltsleitung
§ 34Personelle Ausstattung, ärztliche Versorgung, Seelsorge
§ 35Hausordnung
Dreizehnter Unterabschnitt
Aufsicht, Beirat
§ 36Aufsichtsbehörde, Vollstreckungsplan, Vollzugsgemeinschaften
§ 37Beirat
Vierzehnter Unterabschnitt
Freizeit- und Kurzarrest, Nichtbefolgungsarrest,
Jugendarrest neben Jugendstrafe
§ 38Grundsatz
§ 39Freizeit- und Kurzarrest
§ 40Nichtbefolgungsarrest
§ 41Jugendarrest neben Jugendstrafe
Dritter Abschnitt
Kriminologische Forschung, Datenschutz
§ 42Kriminologische Forschung
§ 43Datenschutz
Vierter Abschnitt
Schlussvorschriften
§ 44Ersetzung und Fortgeltung von Bundesrecht
§ 45Einschränkung von Grundrechten
§ 46Evaluierung
§ 47Gleichstellungsbestimmung
§ 48Inkrafttreten

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Erster Abschnitt
Anwendungsbereich

§ 1
Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug des Jugendarrests (Vollzug) in einer Jugendarrestanstalt (Anstalt).

Zweiter Abschnitt
Vollzug des Dauerarrests

Erster Unterabschnitt
Allgemeine Bestimmungen

§ 2
Ziel des Vollzugs

(1) Der Vollzug soll den Arrestierten das von ihnen begangene Unrecht, dessen Folgen und ihre Verantwortung hierfür bewusst machen und einen Beitrag leisten, sie zu einem eigenverantwortlichen Leben ohne weitere Straftaten zu befähigen.

(2) Der Jugendarrest als Erziehungsmaßnahme soll durch seine besonders intensive Ausrichtung auf soziale Unterstützungsaktivitäten, auch in Zusammenarbeit mit außervollzuglichen Stellen und Einrichtungen, wirksam und auf Dauer verhindern, dass die vom Jugendarrest betroffenen Personen im weiteren Verlauf ihres Lebens straffällig werden und von Freiheitsstrafe und Strafvollzug betroffen werden.

§ 3
Stellung der Arrestierten, Mitwirkung

(1) Die Persönlichkeit und die Würde der Arrestierten sind zu achten.

(2) Die Arrestierten unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihnen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich sind. Sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Anordnung stehen und dürfen die Arrestierten nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

(3) Die Arrestierten sind verpflichtet, an Maßnahmen, die der Erreichung des Vollzugziels dienen, mitzuwirken. Ihre Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern. Die Maßnahmen sind ihnen zu erläutern.

§ 4
Grundsätze der Vollzugsgestaltung

(1) Der Vollzug ist erzieherisch zu gestalten und auf die Erreichung des Vollzugsziels auszurichten.

(2) Schädlichen Folgen des Vollzugs ist entgegenzuwirken.

(3) Die unterschiedlichen Bedürfnisse und Lebenslagen der Arrestierten, insbesondere im Hinblick auf Alter, sexuelle Identität, Herkunft, Religion und Weltanschauung sowie Behinderungen werden bei der Vollzugsgestaltung im Allgemeinen und im Einzelfall berücksichtigt.

§ 5
Maßnahmen erzieherischer Gestaltung

(1) Den Arrestierten ist in geeigneter Weise zu vermitteln, dass sie Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen und die notwendigen Konsequenzen für ihr künftiges Leben ziehen müssen. Das Bewusstsein für den durch die Straftaten entstandenen Schaden soll geweckt und eine aktive Auseinandersetzung mit der Tat gefördert werden.

(2) Die erzieherische Gestaltung erfolgt insbesondere durch Maßnahmen und Programme zur Entwicklung und Stärkung der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Arrestierten im Hinblick auf ein künftiges Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten. Zudem sind den Arrestierten sozial angemessene Verhaltensweisen unter Achtung der Rechte anderer zu vermitteln.

(3) Einzel- und Gruppenmaßnahmen richten sich auf die Auseinandersetzung mit den eigenen Straftaten, deren Ursachen und Folgen, sowie auf die Unterstützung der lebenspraktischen, schulischen und beruflichen Entwicklung, die verantwortliche Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens und der freien Zeit sowie die Vermittlung unterstützender Kontakte. Auch an Wochenenden und gesetzlichen Feiertagen sind geeignete Maßnahmen durchzuführen.

(4) Die Arrestierten sind an einen geregelten Tagesablauf heranzuführen.

(5) Die Arrestierten werden darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Sie sollen dazu angeregt werden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, auch dazu angehalten werden, den durch die Straftat verursachten materiellen und immateriellen Schaden wieder gutzumachen.

§ 6
Zusammenarbeit, Einbeziehung Dritter

(1) Alle in der Anstalt Tätigen wirken daran mit, das Vollzugsziel zu erreichen.

(2) Die Anstalt arbeitet eng mit anderen staatlichen Stellen, insbesondere der Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe, außervollzuglichen Einrichtungen und Organisationen, insbesondere aus dem sozialen Bereich und der Jugendhilfe, hier vor allem den Jugendämtern und Trägern von Maßnahmen der Jugendhilfe, sowie Personen und Vereinen zusammen, um das Vollzugsziel zu erreichen und eine Durchführung der für erforderlich erachteten Maßnahmen nach der Entlassung zu ermöglichen.

(3) Die Personensorgeberechtigten sollen angemessen einbezogen werden, soweit dies möglich ist und dem Vollzugsziel nicht zuwiderläuft. Über besondere Begebenheiten während des Vollzugs sind sie zu informieren.

Zweiter Unterabschnitt
Aufnahme, Planung

§ 7
Aufnahmeverfahren

(1) Mit den Arrestierten ist baldmöglichst im Rahmen der Aufnahme ein Gespräch zu führen, in dem ihre gegenwärtige Lebenssituation erörtert wird. Während dieses Gesprächs sollen andere Arrestierte nicht zugegen sein.

(2) Die Arrestierten werden über ihre Rechte und Pflichten in einer für sie verständlichen Form unterrichtet. Ihnen wird die Hausordnung ausgehändigt und auf Verlangen ein Exemplar dieses Gesetzes zugänglich gemacht.

(3) Die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt werden von der Aufnahme unverzüglich schriftlich benachrichtigt. Stehen Arrestierte unter Bewährungsaufsicht, ist auch die Bewährungshilfe von der Aufnahme zu unterrichten.

(4) Die Arrestierten werden nach der Aufnahme alsbald ärztlich untersucht.

(5) Werden der Anstalt bei der Aufnahme oder während des Vollzugs Tatsachen bekannt, die ein Absehen von der Vollstreckung oder deren Unterbrechung rechtfertigen können, unterrichtet sie unverzüglich die Vollstreckungsleitung.

§ 8
Ermittlung des Hilfebedarfs, Erziehungs- und Förderplan

(1) Nach dem Aufnahmeverfahren wird alsbald ein ausführliches Gespräch mit den Arrestierten geführt. Dabei wird der Hilfebedarf unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeit, ihrer Lebenslagen, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrer Weltanschauung, ihrer sexuellen Identität und ihrer Fähigkeiten sowie Fertigkeiten ermittelt. Den Arrestierten ist das Vollzugsziel zu vermitteln. Erkenntnisse aus den Vollstreckungsunterlagen und Erkenntnisse der Jugendgerichtshilfe und Bewährungshilfe werden einbezogen.

(2) Die an der Erziehung maßgeblich beteiligten Bediensteten erörtern den Hilfebedarf für die Dauer des Vollzugs und die Zeit danach und legen die sich daraus ergebenden Maßnahmen fest. Diese werden mit den Arrestierten besprochen; dabei werden deren Anregungen und Vorschläge angemessen einbezogen, soweit sie dem Vollzugsziel dienen. Ein Erziehungs- und Förderplan, der auch Festlegungen zum Tagesablauf enthält, wird schriftlich niedergelegt und den Arrestierten ausgehändigt sowie auf Verlangen auch den Personensorgeberechtigten übermittelt.

(3) Als Hilfen kommen insbesondere in Betracht:

1.

Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz und Integration, wie die Vermittlung von Konfliktlösungsstrategien zur einvernehmlichen Streitbeilegung,

2.

Maßnahmen zur Gewalt- und Suchtprävention,

3.

Maßnahmen zur lebenspraktischen und finanziellen Eigenständigkeit,

4.

Maßnahmen zur beruflichen und schulischen Entwicklung,

5.

angemessene Beschäftigung,

6.

Sportangebote und Maßnahmen zur strukturierten Gestaltung der Freizeit,

7.

Unterstützung bei der Wiedergutmachung des angerichteten Schadens, wie ein Opfer-Empathie-Training zur Vorbereitung auf einen Täter-Opfer-Ausgleich, sowie

8.

Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen.

 

Dritter Unterabschnitt
Unterbringung und Versorgung

§ 9
Unterbringung während der Einschlusszeiten,
Trennungsgebot

(1) Die Arrestierten werden in ihren Arresträumen einzeln untergebracht.

(2) Mit ihrer Zustimmung können sie gemeinsam untergebracht werden, wenn schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind und erzieherische Gründe dem nicht entgegenstehen. Bei einer Gefahr für Leben oder Gesundheit, bei Hilfsbedürftigkeit oder, sofern zur Erreichung des Vollzugsziels unerlässlich, ist die Zustimmung der gefährdeten oder hilfsbedürftigen Arrestierten zur gemeinsamen Unterbringung entbehrlich. Darüber hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung nur aus zwingenden Gründen zulässig.

(3) Weibliche und männliche Arrestierte werden getrennt voneinander untergebracht.

§ 10
Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten

(1) Außerhalb der Einschlusszeiten halten sich die Arrestierten grundsätzlich in Gemeinschaft auf.

(2) Der gemeinschaftliche Aufenthalt kann eingeschränkt werden,

1.

wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert,

2.

wenn ein schädlicher Einfluss auf andere Arrestierte zu befürchten ist oder

3.

wenn es aus erzieherischen Gründen dringend geboten ist.

 

§ 11
Gewahrsam an Gegenständen

Die Arrestierten dürfen Gegenstände nur mit Zustimmung der Anstalt einbringen oder in Besitz haben. Die Anstalt kann die Zustimmung verweigern oder widerrufen, wenn die Gegenstände geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels zu gefährden. Gegenstände, die die Arrestierten nicht in Gewahrsam haben dürfen, werden von der Anstalt aufbewahrt, soweit dies nach Art und Umfang möglich ist.

§ 12
Kleidung

(1) Die Arrestierten dürfen eigene Kleidung tragen. Dieses Recht kann eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, soweit es zur Gewährleistung der Sicherheit oder Ordnung sowie Hygiene der Anstalt erforderlich ist. Für die Reinigung eigener Kleidung haben die Arrestierten selbst zu sorgen.

(2) Bei Bedarf stellt die Anstalt den Arrestierten Kleidung zur Verfügung.

§ 13
Verpflegung

(1) Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung entsprechen den Anforderungen an eine gesunde Ernährung junger Menschen und werden ärztlich überwacht. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Den Arrestierten ist zu ermöglichen, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen.

(2) Die Anstalt fördert und begleitet die gemeinsame Einnahme von Mahlzeiten.

Vierter Unterabschnitt
Bildung, Beschäftigung, Freizeit

§ 14
Bildung und Beschäftigung

Den Arrestierten sind Maßnahmen zur lebenspraktischen, schulischen und beruflichen Entwicklung anzubieten. Zu diesem Zweck können ihnen auch Aufgaben innerhalb der Anstalt und gemeinnützige Tätigkeiten übertragen werden.

§ 15
Freizeit

(1) Die Ausgestaltung der Freizeit orientiert sich am Vollzugsziel. Die Anstalt hat Angebote zur sinnvollen Freizeitgestaltung vorzuhalten. Sie stellt insbesondere Angebote zur sportlichen und kulturellen Betätigung, eine angemessen ausgestattete Bibliothek sowie Zeitungen oder Zeitschriften zur Verfügung. Die Arrestierten sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Maßnahmen der Freizeitgestaltung zu motivieren und anzuleiten.

(2) Der Zugang zum Rundfunk ist zu ermöglichen. Eigene Hörfunk- oder Fernsehgeräte und eigene Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik sind nicht zugelassen.

(3) Dem Sport kommt bei der Gestaltung des Vollzugs besondere Bedeutung zu. Die Anstalt bietet täglich Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung an. Sie fördert die Bereitschaft der Arrestierten, sich sportlich zu betätigen.

Fünfter Unterabschnitt
Gesundheitsfürsorge

§ 16
Gesundheitsschutz und Hygiene

(1) Die Anstalt unterstützt die Arrestierten bei der Erhaltung ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheit. Sie fördert das Bewusstsein für gesunde Ernährung und Lebensführung. Insbesondere ist auf die Gefährdung durch Infektionen, Drogen, Tabak und Alkohol hinzuweisen. Das Rauchen und der Konsum von Alkohol sind den Arrestierten untersagt. Die Arrestierten haben die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen.

(2) Den Arrestierten wird ermöglicht, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten.

(3) Arrestierten, die nicht krankenversichert sind, haben einen Anspruch auf notwendige, ausreichende und zweckmäßige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und unter Berücksichtigung des allgemeinen Standards der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Dauer des Vollzugs. Auch Arrestierten, die krankenversichert sind, können Leistungen nach Satz 1 gewährt werden, wenn dies aus vollzuglichen Gründen erforderlich ist.

Sechster Unterabschnitt
Außenkontakte

§ 17
Schriftwechsel, Pakete

(1) Die Arrestierten haben das Recht, Schreiben zu empfangen und abzusenden. Die Anstalt fördert die schriftliche Kommunikation und übernimmt die Kosten für abgehende Schreiben in angemessenem Umfang.

(2) Die Arrestierten haben das Absenden und den Empfang ihrer Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, die sie unverzüglich weiterleitet. Eine inhaltliche Kontrolle findet nicht statt. Ein- und ausgehende Schreiben können auf verbotene Gegenstände kontrolliert werden.

(3) Der Empfang und Versand von Paketen sind nicht zulässig. Den Arrestierten kann in Ausnahmefällen gestattet werden, Pakete zu empfangen.

§ 18
Besuche, Telefongespräche

(1) Den Arrestierten kann gestattet werden, Besuch zu empfangen oder unter Vermittlung der Anstalt Telefongespräche zu führen, wenn dies dem Vollzugsziel förderlich ist und die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt hierdurch nicht gefährdet wird.

(2) Aus Gründen der Sicherheit können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucher durchsuchen oder mit technischen Hilfsmitteln absuchen lassen. § 24 Abs. 1 gilt entsprechend. Besuche und Telefongespräche dürfen beaufsichtigt werden. Sie dürfen abgebrochen werden, wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde. Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis übergeben werden.

(3) Besuche von Verteidigern, von Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) , von Rechtsanwälten und Notaren in einer die Arrestierten betreffenden Rechtssache, sowie von den in § 119 Abs. 4 Satz 2 der Strafprozessordnung (StPO) genannten Personen und Stellen sind zu gestatten und werden nicht beaufsichtigt. Dies gilt für Telefongespräche entsprechend.

§ 19
Aufenthalte außerhalb der Anstalt

(1) Aufenthalte außerhalb der Anstalt können geeigneten Arrestierten gewährt werden, wenn es sich um Maßnahmen der Anstalt handelt oder dies sonst zur Erreichung des Vollzugsziels erforderlich ist.

(2) Aufenthalte außerhalb der Anstalt können auch aus wichtigem Anlass gewährt werden, insbesondere zur Teilnahme an gerichtlichen Terminen, zur medizinischen Behandlung sowie bei einer akut lebensgefährlichen Erkrankung oder dem Tod naher Angehöriger.

(3) Zur Ausgestaltung der Aufenthalte außerhalb der Anstalt können den Arrestierten Weisungen erteilt werden. Soweit dies erforderlich ist, werden sie begleitet oder ständig und unmittelbar beaufsichtigt.

Siebter Unterabschnitt
Religionsausübung

§ 20
Seelsorge, religiöse Veranstaltungen,
Weltanschauungsgemeinschaften

(1) Den Arrestierten ist religiöse Betreuung durch einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft zu gestatten. Auf ihren Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einem Seelsorger in Verbindung zu treten.

(2) Die Arrestierten dürfen grundlegende religiöse Schriften sowie in angemessenem Umfang Gegenstände des religiösen Gebrauchs besitzen. Diese dürfen ihnen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.

(3) Die Arrestierten haben das Recht, an religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen. Die Zulassung zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung des Seelsorgers der Religionsgemeinschaft.

(4) Arrestierte können von der Teilnahme an religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung geboten ist; der Seelsorger soll vorher gehört werden.

(5) Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

Achter Unterabschnitt
Sicherheit und Ordnung

§ 21
Grundsatz

(1) Sicherheit und Ordnung der Anstalt bilden den Rahmen des auf die Erreichung des Vollzugsziels ausgerichteten Anstaltslebens und tragen dazu bei, dass in der Anstalt ein Klima des friedlichen Miteinanders herrscht.

(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Arrestierten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Arrestierten nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 22
Allgemeine Verhaltenspflichten

(1) Die Arrestierten sind für das geordnete Zusammenleben in der Anstalt mitverantwortlich und müssen mit ihrem Verhalten dazu beitragen.

(2) Die Arrestierten sind verpflichtet, die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen.

(3) Die Arrestierten haben Räume der Anstalt und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(4) Die Arrestierten haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 23
Reaktionen auf Pflichtverstöße

(1) Verstöße der Arrestierten gegen Pflichten, die ihnen durch oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind unverzüglich in einem erzieherischen Gespräch aufzuarbeiten.

(2) Grundsätzlich sollen im Wege einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden. Insbesondere kommen die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung bei den Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft und das vorübergehende Verbleiben im Arrestraum in Betracht. Erfüllen die Arrestierten die Vereinbarung, so ist die Anordnung von erzieherischen Maßnahmen unzulässig.

(3) Sollte es zu keiner einvernehmlichen Streitbeilegung kommen, können Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den Arrestierten ihr Fehlverhalten bewusst zu machen (erzieherische Maßnahmen). Als erzieherische Maßnahmen kommen namentlich die Erteilung von Weisungen und Auflagen, das Schreiben eines sich mit dem Pflichtverstoß auseinandersetzenden Aufsatzes, die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung, die dem Erreichen des Vollzugsziels entgegenstehen, bis zu einer Dauer von zwei Tagen und der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu einer Dauer von einem Tag in Betracht.

(4) Es sollen solche erzieherischen Maßnahmen angeordnet werden, die mit der Verfehlung in Zusammenhang stehen.

§ 24
Durchsuchung, Absuchung

(1) Die Arrestierten, ihre Sachen und die Arresträume dürfen mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln abgesucht und durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher Arrestierter darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Arrestierter nur von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen und die sexuelle Identität zu achten.

(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung der Anstaltsleitung im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung von Arrestierten vorzunehmen. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Arrestierte dürfen nicht anwesend sein.

(3) Die Anstaltsleitung kann allgemein anordnen, dass die Arrestierten in der Regel bei der Aufnahme, sowie in begründeten Einzelfällen, vor und nach Kontakten mit Besuchern sowie vor und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt nach Absatz 2 zu durchsuchen sind.

§ 25
Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch

Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder aus Gründen der Gesundheitsvorsorge können im Einzelfall Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch angeordnet werden. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

§ 26
Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen Arrestierte können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustandes in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung aus dem Arrest, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

1.

der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,

2.

die Beobachtung der Arrestierten, auch mit technischen Hilfsmitteln,

3.

die Trennung von allen anderen Arrestierten (Absonderung).

 

(3) Wenn es zu Abwehr einer unmittelbaren Gefahr einer Selbsttötung oder erheblichen Selbstverletzung unerlässlich ist, ist über Absatz 2 hinaus eine vorübergehende Unterbringung in einem besonders gesicherten Arrestraum ohne gefährdende Gegenstände bis zu 24 Stunden zulässig. Eine ständige und unmittelbare Überwachung ist vorzusehen. Es ist unmittelbar eine ärztliche Untersuchung herbeizuführen und eine Entscheidung über die Arrestfähigkeit einzuholen.

(4) Eine Absonderung von mehr als 24 Stunden Dauer ist nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer in Absatz 1 genannten Gefahr unerlässlich ist.

(5) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet die Anstaltsleitung an. Erforderlichenfalls können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen; die Entscheidung der Anstaltsleitung ist unverzüglich einzuholen.

(6) Die Entscheidung wird den Arrestierten mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

(7) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen. In den Fällen des Absatzes 3 ist der Aufsichtsbehörde unverzüglich zu berichten.

(8) Während der Absonderung und während der Unterbringung im besonders gesicherten Arrestraum sind die Arrestierten in besonderem Maße zu betreuen.

(9) Sind die Arrestierten länger als zwei Stunden in einem besonders gesicherten Arrestraum untergebracht, sucht sie ein Arzt auf. Sind die Arrestierten länger als vierundzwanzig Stunden abgesondert, sucht sie täglich ein Arzt auf.

Neunter Unterabschnitt
Unmittelbarer Zwang

§ 27
Begriffsbestimmungen, allgemeine Voraussetzungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel oder Waffen. Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen. Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind Fesseln und Reizstoffe. Waffen sind Hieb- und Schusswaffen.

(2) Als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt dürfen nur dienstlich zugelassene Reizstoffe und Fesseln verwendet werden. Waffen dürfen nicht gebraucht werden.

(3) Bedienstete dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Maßnahmen des Vollzugs rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.

(4) Gegen andere Personen als Arrestierte darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Arrestierte zu befreien oder widerrechtlich in die Anstalt einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(5) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 28
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Androhung

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

(3) Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

(4) Wird unmittelbarer Zwang von einem Vorgesetzten oder einer sonst befugten Person angeordnet, sind Vollzugsbedienstete verpflichtet, ihn anzuwenden, es sei denn, die Anordnung verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden. Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Vollzugsbedienstete sie trotzdem, trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung hat der Vollzugsbedienstete dem Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist. Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung solcher Bedenken an einen Vorgesetzten ( § 36 Abs. 2 und 3 des Beamtenstatusgesetzes ) sind nicht anzuwenden.

Zehnter Unterabschnitt
Entlassung, Nachsorge

§ 29
Einleitung nachsorgender Maßnahmen,
Entlassungsbeihilfe

(1) Die Anstalt unterstützt und berät die Arrestierten in enger Zusammenarbeit mit dem Jugendamt sowie freien Trägern bei der Einleitung von nachsorgenden Maßnahmen. Auf Wunsch des Arrestierten oder der Personensorgeberechtigten kann die Anstalt geeignete Maßnahmen nach der Entlassung des Arrestierten anbieten.

(2) Die Entlassung kann am Tag des Ablaufs der Arrestzeit vorzeitig erfolgen, wenn die Arrestierten aus schulischen, beruflichen oder sonstigen sozialen Gründen hierauf angewiesen sind oder die Verkehrsverhältnisse das erfordern.

(3) Bedürftigen Arrestierten kann eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden.

§ 30
Schlussbericht, Entlassungsgespräch

(1) Zum Ende des Vollzugs wird ein Schlussbericht erstellt, der insbesondere folgende Angaben enthält:

1.

Übersicht über den Vollzugsverlauf, insbesondere über die durchgeführten Maßnahmen,

2.

Aussagen zur Persönlichkeit und zu den gegenwärtigen Lebensumständen der Arrestierten sowie zu ihrer Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels,

3.

Darlegung des Hilfebedarfs der Arrestierten sowie Empfehlung von weiteren externen Hilfsangeboten und

4.

Vorschläge zu Auflagen und Weisungen im Falle einer Bewährungsunterstellung.

 

(2) Der Inhalt des Schlussberichts wird vorab mit den Arrestierten besprochen.

(3) Der Schlussbericht ist für die Vollzugs- und Strafakten bestimmt. Eine Ausfertigung des Berichts ist der Jugendgerichtshilfe und bei unter Bewährungsaufsicht stehenden Arrestierten der Bewährungshilfe, sowie auf Verlangen dem Arrestierten und den Personensorgeberechtigten zuzuleiten.

Elfter Unterabschnitt
Beschwerde

§ 31
Beschwerderecht

(1) Die Arrestierten erhalten Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen oder von gemeinsamem Interesse sind, an die Anstaltsleitung zu wenden.

(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass die Arrestierten sich in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an diese wenden können.

(3) Die Möglichkeiten der Dienstaufsichtsbeschwerde und des gerichtlichen Rechtsschutzes bleiben unberührt.

Zwölfter Unterabschnitt
Aufbau und Organisation der Anstalt

§ 32
Einrichtung und Ausstattung der Anstalt

(1) Der Jugendarrest wird in Jugendarrestanstalten der Justizverwaltung vollzogen.

(2) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Anstalt so fest, dass eine angemessene Unterbringung im Sinne des § 9 gewährleistet ist.

(3) Es sind bedarfsgerechte Einrichtungen für Gruppen- und Einzelmaßnahmen vorzusehen. Gleiches gilt für Besuche, Freizeit, Sport und Seelsorge.

§ 33
Anstaltsleitung

(1) Die Anstaltsleitung trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug und vertritt die Anstalt nach außen. Sie kann einzelne Aufgabenbereiche und Befugnisse auf andere Bedienstete übertragen. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung vorbehalten.

(2) Die Aufsichtsbehörde überträgt die Leitung der Anstalt dem Jugendrichter am Ort der Anstalt. Ist dort ein Jugendrichter nicht oder sind dort mehrere Jugendrichter tätig, bestimmt die Aufsichtsbehörde einen Jugendrichter zur Anstaltsleitung.

(3) Die Aufsichtsbehörde kann abweichend von Absatz 2 einen Beamten des höheren oder des gehobenen Dienstes zur Anstaltsleitung bestellen. In diesem Fall bleibt die Regelung des § 85 Abs.1 JGG unberührt mit der Maßgabe, dass für die Abgabe der Vollstreckung an die Stelle des als Vollzugsleiter zuständigen Jugendrichters der am Ort des Vollzugs nach der Geschäftsverteilung des betreffenden Amtsgerichts zuständige Jugendrichter tritt.

§ 34
Personelle Ausstattung, ärztliche Versorgung, Seelsorge

(1) Die Anstalt wird mit dem für die Erreichung des Vollzugsziels und für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal ausgestattet. Die Bediensteten müssen für die erzieherische Gestaltung des Vollzugs geeignet und qualifiziert sein.

(2) Fortbildung sowie Praxisberatung und -begleitung sind regelmäßig zu gewährleisten.

(3) Die ärztliche Versorgung und die seelsorgerische Betreuung der Arrestierten sind sicherzustellen.

§ 35
Hausordnung

Die Anstaltsleitung erlässt zur Gestaltung und Organisation des Vollzugsalltags auf der Grundlage dieses Gesetzes eine Hausordnung. Darin sind insbesondere die Rechte und Pflichten der Arrestierten und der strukturierte Tagesablauf aufzunehmen. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Genehmigung vorbehalten.

Dreizehnter Unterabschnitt
Aufsicht, Beirat

§ 36
Aufsichtsbehörde, Vollstreckungsplan,
Vollzugsgemeinschaften

(1) Das für Justiz zuständige Ministerium führt die Aufsicht über die Anstalten (Aufsichtsbehörde).

(2) Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalten in einem Vollstreckungsplan.

(3) Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Vollzug auch in Anstalten der Justizverwaltungen anderer Länder vorgesehen werden.

§ 37
Beirat

Bei der Anstalt kann ein Beirat gebildet werden. § 115 des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuches (ThürJVollzGB) gilt entsprechend.

Vierzehnter Unterabschnitt
Freizeit- und Kurzarrest, Nichtbefolgungsarrest,
Jugendarrest neben Jugendstrafe

§ 38
Grundsatz

Für den Vollzug des

1.

Freizeit- und Kurzarrests nach § 16 Abs. 2 und 3 JGG ,

2.

Nichtbefolgungsarrests nach § 11 Abs. 3 , § 15 Abs. 3 Satz 2 , § 23 Abs. 1 Satz 4 , § 29 Satz 2 und § 88 Abs. 6 Satz 1 JGG und nach § 98 Abs. 2 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) sowie

3.

Jugendarrests neben Jugendstrafe nach § 16a JGG

 

gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Vollzug des Dauerarrests, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist.

§ 39
Freizeit- und Kurzarrest

(1) Maßnahmen nach § 5 Abs. 3 sind anzubieten, soweit die kurze Dauer des Vollzugs dies zulässt und sinnvoll erscheinen lässt.

(2) Ein Erziehungsplan ( § 8 Abs. 2) wird nicht erstellt, ein Schlussbericht ( § 30 ) nur dann, wenn dies aus besonderen Gründen erforderlich ist. § 8 Abs. 1 findet keine Anwendung. § 7 Abs. 4 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass eine ärztliche Untersuchung nur erfolgt, wenn Anhaltspunkte für eine Arrestuntauglichkeit bestehen.

§ 40
Nichtbefolgungsarrest

(1) Im Vollzug des Nichtbefolgungsarrests sind mit den Arrestierten die Gründe für die Nichterfüllung der auferlegten Pflichten zu erörtern. Sie sollen dazu angehalten und motiviert werden, die ihnen erteilten Weisungen oder Anordnungen zu befolgen und ihre Auflagen zu erfüllen.

(2) In den Fällen des § 98 Abs. 2 OWiG tritt an die Stelle der Auseinandersetzung mit der Straftat nach § 5 Abs. 3 eine Auseinandersetzung mit der zugrundeliegenden Ordnungswidrigkeit.

(3) Der Schlussbericht ( § 30 ) enthält zudem Angaben über die Befolgung von Weisungen oder Anordnungen sowie die Erfüllung von Auflagen während des Vollzugs.

(4) Für den Vollzug des Nichtbefolgungsarrests in Form eines Freizeit- und Kurzarrests findet zusätzlich § 39 Anwendung.

§ 41
Jugendarrest neben Jugendstrafe

(1) Die Gestaltung des Vollzugs und die Einzelmaßnahmen haben sich zusätzlich an den gemäß § 16a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 JGG genannten Anordnungsgründen zu orientieren.

(2) Die Bewährungshilfe hält während des Vollzugs Kontakt zu den Arrestierten und wirkt an der Planung und Einleitung nachsorgender Hilfen mit, um eine bestmögliche Vorbereitung der Bewährungszeit nach dem Vollzug zu gewährleisten.

(3) In den Fällen des § 16a Abs. 1 Nr. 2 JGG sind den Arrestierten Kontakte zu Personen des sozialen Umfeldes nur dann zu gestatten, wenn schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind.

(4) Für den Vollzug des Jugendarrests neben Jugendstrafe in Form eines Freizeit- und Kurzarrests findet zusätzlich § 39 Anwendung mit der Maßgabe, dass ein Schlussbericht erstellt werden soll.

Dritter Abschnitt
Kriminologische Forschung, Datenschutz

§ 42
Kriminologische Forschung

(1) Der Vollzug, insbesondere seine Gestaltung sowie die Maßnahmen und deren Wirkung auf die Erreichung des Vollzugsziels, soll von dem Kriminologischen Dienst in Zusammenarbeit mit Hochschulen oder anderen Stellen wissenschaftlich begleitet werden.

(2) Für die Übermittlung personenbezogener Daten gilt § 476 StPO mit der Maßgabe entsprechend, dass auch elektronisch gespeicherte personenbezogene Daten übermittelt werden können.

§ 43
Datenschutz

Es gelten die Bestimmungen des Abschnitts 22 ThürJVollzGB in der jeweils gültigen Fassung entsprechend.

Vierter Abschnitt
Schlussvorschriften

§ 44
Ersetzung und Fortgeltung von Bundesrecht

(1) Dieses Gesetz ersetzt nach Artikel 125a Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) in seinem Geltungsbereich § 90 JGG .

(2) Es ersetzt weiterhin die Jugendarrestvollzugsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. November 1976 (BGBl. I S. 3270), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1864) mit Ausnahme der Bestimmungen über die Vollstreckung des Jugendarrests ( § 4 , § 5 Abs. 3, § 17 Abs. 4 und § 25 Abs. 1, 3 und 4).

§ 45
Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die nachfolgenden Grundrechte eingeschränkt:

1.

das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Artikel 3 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen ,

2.

die Freiheit der Person nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG und Artikel 3 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen ,

3.

das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten nach Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen ,

4.

das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 Abs. 1 GG und Artikel 7 Abs. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen .

 

§ 46
Evaluierung

Dieses Gesetz ist beginnend mit dem Inkrafttreten jeweils innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren fortlaufend zu evaluieren. Dabei ist insbesondere die Wirksamkeit der sozialen Unterstützungs- und Resozialisierungsmaßnahmen, die Wirksamkeit der sozialen Begleitmaßnahmen nach Entlassung aus dem Arrest, sowie Struktur und Wirksamkeit der Zusammenarbeit und der Einbeziehung Dritter nach § 6 zu berücksichtigen.

§ 47
Gleichstellungsbestimmung

Status- und Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form.

§ 48
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. April 2019 in Kraft.

Erfurt, den 19. März 2019
Die Präsidentin des Landtags
Diezel